Die Geburt der Jungen

Arjan Singh hat eine führende Rolle in der Gründung des Dudhwa Nationalparks gespielt, ein Schongebiet südlich der nepalisch-indischen Grenze, das an seine Farm 'Tiger Haven' angrenzt. Für sein Engagement im Naturschutz erhielt er 1976 die WWF-Goldmedaille. Heute ist er 85 Jahre alt und dabei, eine Stiftung zu gründen, die das Fortbestehen von 'Tiger Haven' als einer Naturschutz-und Forschungsstation gewährleisten soll.

In seinem Buch 'Prince of Cats', das 1982 erschienen ist, beschreibt Arjan, wie er Anfang der 1970er Jahre die Leoparden Prince, Harriet und Juliette aufgezogen und versucht hat sie auszuwildern. Da dies mein Lieblingsbuch ist, freue ich mich sehr, dass Arjan mir erlaubt hat, Auszüge daraus hier zu veröffentlichen. Im folgenden stelle ich - ins Deutsche übertragene - Passagen aus dem Kapitel 'The Cubs are Born' vor.

Obwohl ich die Jungen nicht gleich sehen konnte, wusste ich von kleinen Lauten, dass sie da waren, und ich war sehr erleichtert. Endlich hatte Harriet ein sicheres Zuhause gefunden. Die Höhle - ausgehöhlt von Generationen von Hirschen, die die salzige Erde geleckt haben - war geräumig und gut geschützt: die Wurzeln, die über den Eingang herunterhingen, schützten die Kammer nahezu so effizient wie eine Abschirmung aus Maschendraht. Ich war besonders erfreut über den symbiotischen Charakter des Platzes: in dieser von Hirschen gemachten Aushöhlung, die nach Mineralien gesucht haben, hatte ein Leopard Schutz für ihre Jungen gefunden.

Foto mit freundlicher Genehmigung von Arjan Singh

Hier ließ sie sich zu einer vorbildlich häuslichen Routine nieder, verbrachte viele Stunden mit ihren Jungen und zeigte kein Verlangen wegzugehen und sie zu verlassen. Die Kammer war groß genug, dass Harriet außer Sicht bleiben konnte, wenn sie wollte, aber oft pflegte sie die Jungen vor meinen Augen.

Eines von beiden war viel dunkler als das andere, obwohl beide eher so gefärbt waren wie eine Fischkatze als ein erwachsener Leopard - solide dunkle Flecken auf grauem Hintergrund.

Wenn immer ihre Mutter weg war, blieben sie außer Sicht, aber wenn sie zu Hause war, kamen sie manchmal zum Eingang und lugten in die fremde Welt jenseits der Wurzeln heraus.

Harriet kam jeden Tag für eine Mahlzeit nach Tiger Haven, aber ihr Appetit war nicht so groß wie ich erwartet habe, angesichts dessen, dass sie ihre Jungen als auch sich selbst ernährte, und ich vermutete, dass sie einen Teil ihrer Nahrung durch Jagen erlangte. Meine Ahnung wurde eines Tages bestätigt, als ich die Höhle beobachtete: als eine Herde gefleckter Hirsche die trockenen Blätter auf ihrem Weg an der Schlucht vorbei zum Rascheln brachte, schoss sie geduckt aus dem Eingang hervor und versuchte sich an sie heranzupirschen. Auch wenn der Versuch fehlschlug, zeigte später eine Untersuchung ihres Kots große Mengen von Haaren, die aussahen wie die von einem Langur, vermischt mit meinen eigenen !

Diese gemütliche Routine wurde abrupt durch die Wiederkehr von Prince unterbrochen, der in der Nacht zum 15. Mai kam und 3 Pfund Fleisch fraß, das wir auf der Brücke gelassen hatten. Am nächsten Morgen schien Harriet von den Geruchsbotschaften fasziniert, die er hinterlassen hatte, und während sie den Steg überquerte, schnupperte sie unentwegt und zog Grimassen.

Er kam am Abend des 19. wieder. Es war ein wilder Abend, ein Gewitter zog herauf, und eine kalte Brise wehte. Im Osten schwingte eine Truppe Languren in den Bäumen, ihr fröhliches Geschrei ertönte über dem Gemurmel des Donnerns. Ich ging gerade vorsichtig auf dem Weg unterhalb der Böschung entlang, als ich zwei gedämpft knurrende Laute hörte, anders als das Schnarren der Affen, wenn auch nicht einfach im Tumult von den Lauten niedriger Frequenz erkennbar. Ich war nur ein paar Schritte weitergegangen, als ich ein Grunzen im Gebüsch hörte, und ein großes Tier rannte davon. Einen Augenblick später tauchte Harriet aus demselben Gebüsch auf, und so wie sie sich auf dem Boden wälzte und Grimassen zog, war ich sicher, dass sie mit Prince zusammen war.

Das Treffen schien sie aus ihrem mütterlichen Schwung zu werfen. Bis dahin war sie eine sehr fürsorgliche Mutter, aber jetzt, nach ihrem Abendessen in Tiger Haven, statt für ihre Rückpassage in den Dschungel ins Boot zu springen, kletterte sie auf das Dach des Hauses und verbrachte die Nacht dort. Am Morgen, nachdem sie erfolglos hinter ein paar gefleckten Hirschen hergejagt hatte, legte sie sich in einem Baum schlafen und musste überredet werden zu ihren Jungen zurückzukehren.

Ihr Verhalten - so anders als vor ein paar Tagen - besorgte mich und gab mir Rätsel auf. Aber dann am nächsten Morgen schien sie wieder ganz normal zu sein und saß völlig wohlauf aussehend am Eingang der Höhle. Als ich versuchte dahinterzukommen, was passiert war, wunderte ich mich, ob sie die Existenz der Jungen vor potentiell feindlichen Besuchern verbergen wollte, indem sie wegblieb. Mir wurde klar, dass was für mich die bedrohlichen Stunden der Dunkelheit waren, muss für sie der beschützende Samt der Nacht sein, in der die Geruchslosigkeit der Jungen in ihrer abgelegenen Höhle die bestmögliche Verteidigung war. Wäre sie bei ihnen gewesen, hätte ihr eigener Geruch womöglich einen vorbeigehenden Tiger an den Platz gelockt; allein hatten sie eine bessere Chance.